Philosophie


Die Auseinandersetzung mit den Arbeiten anderer Künstler fördert die individuelle Entwicklung und führt zu einer bewussteren Wahrnehmung der Welt. Denn dieses «Wahrnehmen», dieses «Öffnen der Sinne» ist dem künstlerisch tätigen Menschen eigentümlich und ist die Basis seines Denkens. Dieses Denken, das von den Wahrnehmungen ausgeht, wird das «ästhetische Denken» genannt. Bei diesem ästhetischen Denken wird das Wort Ästhetik in der antiken, ursprünglichen Bedeutung benutzt als die Lehre von den Sinneswahrnehmungen. Diese künstlerische Sicht, den Sinn der Dinge zu offenbaren Entspricht heute einem grossen Bedürfnis und ist die Basis des Denkens heutiger Philosophen. Deshalb die ungeheure Bedeutung der Kunst in unserer aktuellen Kultur. Die Kunst hilft uns im Kampf gegen die Entzauberung der Welt durch die Wissenschaft und die Politik. Denn für uns gibt es keine Scheidung von Schönheit und Existenz. Existenz wird von der Schönheit bestimmt und sie muss sich von der Macht der Schönheit Führen lassen.

Bilder begleiten uns das ganze Leben und bleiben stärker als jeder andere Sinnesausdruck in unserem Gedächtnis haften. Bilder steuern stärker als Gerüche, Töne oder Geschmack unser Wohlbefinden, entscheiden unsere Augen doch in Sekunden über Sympathie oder Abneigung, über Schönheit oder Hässlichkeit. Bilder, seien es Gemälde, Fotografien oder Grafiken, dienten schon immer dem Ausdruck des eigenen Geschmacks und nicht zuletzt der Magie der Schönheit.

 

Ist Kunst erklärbar?

In den 50er Jahren war Paris die Hauptstadt der Kunst und die Lingua franca der Kunst war französisch. Das war, bevor einflussreiche Kreise beschlossen haben, die Ansprüche der Ästhetik auf die Probe zu stellen, in dem man an die Kunst den Dollarmassstab anlegt. Aus Künstlern Kapitalisten zu machen, war damals eine humoristische Idee von einiger Tiefe. Und da die Jagd nach dem Geld eine geradezu kosmisch-surreale Kraft angenommen hat, wanderte das Zentrum der Kunst folgerichtig nach Amerika. New York wurde die Hauptstadt der Kunst und die neue Lingua franca der Kunst wurde – auch in Europa – das Englische.

Interessanterweise wurde gleichzeitig mit enormem medialem Aufwand die Kunst als eine Art Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln zelebriert, was zu einer völlig neuen Konstellation führte: Einerseits die Kunst zur Ware degradiert mit dem Preis als Qualitätsmassstab und andrerseits die Kunst als heilbringende Kraft und Gegenpol zu einer immer mehr verwissenschaftlichen und vertechnisierten Welt. Diese mystsich-religiöse Positionierung der Kunst brachte natürlich die alte Frage der Unmittelbarkeit aufs Tapet. Dass ein unmittelbarer, also direkter Zugang zu den «Heiligen Dingen» möglich sei, das haben die auf ihre Machtposition fixierten Mittler, die Priester aller Religionen, immer bestritten. Und da heute, wie gesagt, die Kunst als neue Religion angeboten wird, ist zu verstehen, dass die selbsternannten intellektuellen Mittler, die Kunsthistoriker, sich arg ins Zeug legen, damit Budgets bewilligt werden, um die Menschen von ihrem unmittelbaren Zugang zur Kunst abzubringen und sie kunsttheoretisch auf den rechten Pfad zu bringen. Kunsttheoretiker und andere Zeitgenossen, die an die Erklärbarkeit von Kunst glauben, reagieren genervt, wenn sie mit der Meinung konfrontiert werden «ich kann nur sagen, es gefällt mir oder es gefällt mir nicht»

«Worte töten Kunst», dieser Satz von Philip Johnson bringt es auf den Punkt:  Man kann Kunst nicht erklären.

Oder, noch härter und allgemeiner, über die Kunst hinausführend, wie sich Nietzsche ausdrückte: «Was bewiesen und erklärt werden muss, taugt nicht viel» Das Wissen ist heute angeblich ein Monopol der wissenschaftlichen Weltanschauung. Aber der Mensch braucht sich nicht zu rechtfertigen, die Welt zu lieben. Die Welt ist nicht entzaubert, wie so oft behauptet wird. Es wird nur versucht, unsere Köpfe so zu entzaubern, dass wir die Poesie der Dinge nicht mehr wahrnehmen können.

Wir sollten versuchen, uns eine möglichst direkte und damit zaubervoll-poetische Beziehung zu den Dingen zu erhalten. Wir wissen zu viel über die Dinge. Das führt zu einer Entzauberung der Welt. Dieser Zerstörung kommt man nur mit der bildhaften, der direkten Sicht auf die Dinge bei, wie sie heute nur noch bei den Künstlern zu finden ist. Diese bildhafte Sicht der Dinge verzaubert die Welt und ist wahrer als die wissenschaftliche Weltanschauung. Die Bildhafte – die analoge – Denkweise hilft, die Dinge so verzaubert zu sehen, wie sie in Bezug auf den Menschen wirklich sind und nicht nur so, wie sie mathematisch-entzaubert, also beziehungslos zum Menschen sich darstellen und die Basis bilden für Systeme und Massnahmen, die – obwohl oft gut gemeint – sich immer gegen den Menschen wenden. Wir fragen uns doch alle, ob unsere Zivilisation wirklich nicht in der Lage ist, die Welt über die Technik und den Bankenverkehr hinauszuführen. Denn das sind ja offensichtlich die einzigen Dinge, die vernünftige, digital angepasste Menschen zu interessieren haben. Aber die Welt ist schöner, als sie wissenschaftlich ergründet ist.

 

 

Die Definition von Schönheit

Ein Künstler ist beindruckt von der Welt. Seine Kunst ist der ehrliche Versuch, dieser sichtbaren Welt die höchste Art von Gerechtigkeit zu erweisen. Er tut dies, in dem er mit seiner Darstellung der Dinge in grösstmöglicher Klarheit und Einfachheit das herauszuheben versuche, was man die Essenz der Schönheit der sichtbaren Dinge nennen kann.

Die Magie der dem Menschen nützlichen Dinge ist eine der grossen Faszinationen unserer Welt. «Was das sei, das Schöne» war schon immer eine Frage, die bewusst lebende Menschen intensiv beschäftigte. Im berühmten Streitgespräch von Sokrates mit Hippias über das Wesen der Schönheit gelang es keinem, eine gültige Definition zu finden. Immerhin waren sie sich einig, dass zum Rühren des Hirsebreis ein Quirl aus Holz einem Quirl aus Gold vorzuziehen sei. Ein Quirl aus Gold kann nicht schön sein, da er seine Funktion nicht optimal ausüben kann. Der Sokratesschüler Xenophon wird noch deutlicher: Ein Mistkorb kann schön sei; ein goldenes Schild aber ist hässlich, da er für seine Aufgabe des Schutzes nicht taugt. Dies aus berufenen Mund zur Schönheit der dem Menschen nützlichen Dinge, über 2000 Jahre vor dem berühmten Satz: «Form Fellows Function»

Auch Wissenschaftler und Techniker sind von der Welt beeindruckt. Ihre Auseinandersetzung mit den dem Menschen nützlichen Dingen beschäftigt sich mit Tatsachen. Wir hören ihnen zu, weil es um wichtige Dinge geht, um die mögliche Verbesserung unseres Lebens, unserer Welt. Sie sprechen zu unserer Intelligenz, zu unserer Vernunft und sie erweitern unser Wissen um die Dinge.

Ganz anders die Künstler. Sie wenden sich an jenen Teil unseres Wesens, der nicht von unserer Gelehrsamkeit abhängt. Sie wenden sich an das, was unser Wesen ausmacht. An etwas also, was viel beständiger ist als Intelligenz und Wissen. Wir sprechen unsere Sinne an, unsere Begeisterungsfähigkeit für die Schönheit und Magie der Dinge.

 Die Bilder von Paul Bachmann zeigen durch ihre formale Klarheit und Einfachheit diese Magie der Dinge. Es ist wahr: Die funktionale Schönheit der uns Menschen nützlichen Dinge ehrlich und respektvoll darzustellen, das gehört zu den nobelsten Aufgaben eines Künstlers. Denn, nach Oscar Wilde, liegt das wahre Geheimnis der Welt im Sichtbaren, nicht im Unsichtbaren.